Vom Asbest-Tod bis zum Lesen im Gesicht – die besten Maturaarbeiten
Vom Asbest-Tod bis zum Lesen im Gesicht – die besten Maturaarbeiten
Am Mittwoch wird an der Kantonsschule in Wattwil die beste Maturaarbeit prämiert. Die «Südostschweiz» stellt die fünf Kandidatinnen für die Auszeichnung vor.
Am Mittwoch wird an der Kantonsschule in Wattwil die beste Maturaarbeit prämiert. Die «Südostschweiz» stellt die fünf Kandidatinnen für die Auszeichnung vor.
«Jetzt kann ich über den Tod meines Vaters sprechen»
Sarah Jacober
Der Vater von Sarah Jacober bekam vor elf Jahren die Diagnose «Krebs im Endstadium». Als Siebenjährige verstand Sarah Jacober nicht, dass der aus ihrer Sicht ‘gesunde’ Vater innerhalb von nur fünf Tagen plötzlich tot war. Wegen dieser persönlichen Erfahrung wollte sie sich in ihrer Maturaarbeit mit asbestbedingten Krankheiten auseinandersetzen.
«Es war schön mit Leuten zu sprechen, die Ähnliches durchgemacht haben.»
In ihrer Arbeit schildert sie fünf persönliche Fallbeispiele, darunter dasjenige ihres Vaters. Bei den persönlichen Interviews habe es ihr «wehgetan zu hören, wie schmerzhaft die Krankheit sein kann». Dennoch sei es schön gewesen, mit Leuten zu sprechen, die Ähnliches durchgemacht hätten. Durch die Fallbeispiele erschloss sie den Krankheitsverlauf eines Pleuramesothelioms. «Den Lesern soll veranschaulicht werden, welche Schmerzen psychisch und physisch durch die jahrelange Vertuschung der verheerenden Gefahren von Asbest verursacht wurden.» Durch ihre Arbeit könne sie jetzt ganz anders über den Tod ihres Vaters sprechen: «Ich blocke nicht mehr ab.»
Den Jugendlichen den Spiegel vorhalten
Sharon Röthlisberger
In ihrer Maturaarbeit geht Sharon Röthlisberger der Frage nach, was es mit Schönheitsidealen auf sich hat. Dabei untersuchte sie unter anderem deren Einfluss auf Jugendliche und die Auswirkungen. «Meist ist es so, dass sich darin Sehnsüchte widerspiegeln, die der Zeit entsprechen», erklärt Röthlisberger. Obwohl Schönheitsideale kulturell bedingt seien, existierten daneben universelle Merkmale, welche vom Unterbewusstsein automatisch als schön empfunden würden. Röthlisberger ergänzt: «Laut zahlreichen Studien soll Schönheit nicht nur vom Geschmack des Betrachters abhängen.»
«Vor allem mittels Sozialer Netzwerke sind Jugendliche heute einfacher zu beeinflussen.»
Ob dem so ist, untersuchte sie in ihrer Maturaarbeit anhand von rund 100 jugendlichen Testpersonen. Dem Einfluss der Schönheitsideale entkommt heute kaum ein Jugendlicher. «Vor allem mittels Sozialer Netzwerke sind Jugendliche heute einfacher zu beeinflussen», erklärt Röthlisberger. Die Gründe für die Orientierung an Idealen sind sehr unterschiedlich. «Das kann die Bestätigung des sozialen Status oder in der Pubertät die Suche nach sich selbst.» Welche Folgen das nach sich ziehen kann, zeigt Röthlisberger in ihrer Arbeit auf: Magersucht, verzerrte Wahrnehmung, Gesundheitsstörungen und Schönheitsoperationen.
Die Geheimnisse eines Gesichts
Lisa Reggiani
Es ist ein umstrittenes Thema – die einen schwören darauf, für andere ist es Humbug: die Physiognomik. Das ist eine alte Kunst, mit der versucht wird, aufgrund von Merkmalen des Gesichtes und des Körpers auf die Persönlichkeit zu schliessen. Physiognomen behaupten von sich, ihr Umfeld und die Welt einfacher und besser zu verstehen. Laut deren Theorie widerspiegelt sich das innere Befinden in äusseren Merkmalen – das untersuchte Lisa Reggiani in ihrer Arbeit.
«Gemäss meiner Auswertungen stimmen rund 90 Prozent der Charakterzuschreibungen.»
In der Physiognomik unterteilt man das Gesicht in drei Partien: Stirn, Mittelgesicht und Kinn. Anhand gewisser Merkmale lassen sich Charaktereigenschaften zuschreiben. «Ein Gesicht hat 330 solcher Merkmale, 150 reichen laut physiognomischen Theorien, um treffende Aussagen machen zu können», sagt Reggiani. In ihrer Maturaarbeit testete die 18-Jährige das Gesichterlesen gleich selbst. Das Resultat: «Etwa 90 Prozent der Charakterzuschreibungen stimmten.» Sie relativiert die Befunde jedoch aufgrund der wenigen Testpersonen und ergänzt: «Die Physiognomik ist nun mal keine anerkannte Wissenschaft. Ihr fehlen die Objektivität und eine nachvollziehbare Systematik.»
Die Personenfreizügigkeit im Linthgebiet
Katja Oertig
Die Uznerin Katja Oertig beschäftigte sich über ein Jahr lang mit dem Thema Personenfreizügigkeit. Über 100 Arbeitsstunden stecken in ihrer Maturaarbeit. «Bei einem solch spannenden Thema vergesse ich die Zeit schnell einmal», sagt sie. In der Abschlussarbeit ging sie der Bedeutung der Personenfreizügigkeit für die Wirtschaft im Kanton St. Gallen und der Region See-Gaster nach. Ihre Motivation für entspringt dem Interesse für Politik. «Ob man will oder nicht, die Politik nimmt Einfluss auf jedermanns Leben. Deshalb finde ich sie so interessant.»
«Man kann festhalten, dass internationale Organisationen stark unter Verfassungsänderungen leiden würden.»
Oertig wandte die Wichtigkeit der Personenfreizügigkeit auf die nationale, kantonale und regionale Wirtschaft an. «Das war eine hoch komplexe Angelegenheit», erklärt die 18-Jährige. Denn sie berücksichtigte verschiedenste Einflussfaktoren wie Import, Export und die Arbeitslosenquote seit dem Abkommen zur Personenfreizügigkeit im Jahre 2002. Anschliessend übertrug sie die Werte auf die Region See und Gaster. «Man kann festhalten, dass internationale Organisationen aus der Region stark unter Verfassungsänderungen leiden würden», sagt sie. Wogegen regional tätige Unternehmen wenig darunter leiden würden.
Das fehlende Puzzleteil ihres Lebens
Irina Largey
Vor etwas mehr als 18 Jahren wurde Irina Largey in Mexiko geboren. Sie ist eines von insgesamt zehn Kindern. Im zarten Alter von nur wenigen Monaten wurde sie zur Adoption freigegeben. Daraufhin zieht sie mit ihren Adoptiveltern ins aargauische Zufikon. Fünf Jahre später verschlägt es die vierköpfige Familie in die Region nach Rapperswil-Jona. Vierköpfig deshalb, weil nach Irina Largey auch ihre jüngere Schwester von der Familie adoptiert wurde.
«Durch die Maturaarbeit hatte ich erstmals Kontakt mit meiner leiblichen Mutter.»
Im Rahmen ihrer Arbeit begab sich Largey zwar nicht gezielt auf die Suche nach ihrer eigenen Identität, kam aber auch nicht ganz darum herum. «Durch die Maturaarbeit hatte ich erstmals Kontakt mit meiner leiblichen Mutter», erzählt sie. Diese 18 Jahre lang nicht zu kennen, schien ihr eine lange Zeit zu sein – allerdings liegt das Durchschnittsalter, wenn Adoptivkinder ihre leiblichen Eltern kennenlernen, zwischen 35 und 45 Jahren. Largeys Auswertungen zeigen weiter: «Der Grund für die späte Kontaktaufnahme ist Desinteresse, Verdrängung oder Angst», erklärt sie. Die Vertiefung in die Maturaarbeit habe ihr nicht nur geholfen, das ernste Thema Adoption besser zu verstehen, sondern auch offener darüber zu sprechen. «Noch vor einem Jahr war ich demgegenüber verschlossener.»